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Das Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus setzt sich seit zehn Jahren für ein menschliches Miteinander ein (von Katja Dörn)
JENA. Vor zehn Jahren harrten Dutzende Jenaer drei Tage und Nächte am Rand des Seidelplatzes aus. Sie hielten Transparente zu einer 70 Meter langen Reihe aneinander, um sich gegen das „Fest der Völker“ von Neonazis aufzulehnen. Eine unvorstellbare Welle der Solidarität ergab sich aus dieser Aktion. Anwohner brachten warme Getränke, Jung und Alt standen nebeneinander.
„Wir haben uns gesagt: Wir nehmen den Platz in unsere Obhut“, erinnert sich Luise Zimmermann. Diese Randstreifen-Aktion war die Initialzündung für viele Bürger, mehr zu tun. Aufzustehen, sich spürbar einzusetzen gegen Rechtsextremismus und den eigenen Körper einzusetzen statt nur Gedanken.
Es war auch die Geburtsstunde des Aktionsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus, das am Sonnabend mit einem Stadtspaziergang an die vielfältigen Aktionsformen der vergangenen zehn Jahre erinnerte. Die Ausstellung, die am Holzmarkt zu sehen war, wollen sie auch dauerhaft zeigen - suchen dafür aber derzeit noch einen Raum.
Das Netzwerk ist nicht als Verein eingetragen, es besitzt keine Räume und außer Spenden keine finanziellen Mittel. „Wir haben den Anspruch, offen und hierarchiefrei zu sein“, sagt Luise Zimmermann, eine der Gründerinnen.
In den zehn Jahren demonstrierten sie gegen das „Fest der Völker“, gegen Thügida und Naziaufmärsche wie 2010 in Dresden. Sie pfiffen, sie blockierten und ließen sich auch von Polizisten wegtragen. Sie übten aber auch den stilleren und bürgerlich breit gestreuten Protest gegen Neonazis, sagt Zimmermann.
Weiterlesen: 24.10.2017 (TLZ): Vorbildlicher Einsatz gewürdigt
Jena: Thüringenweites Bündnis gegründet
Ein breites Bündnis ist gegen das Rechtsrock-Festival "Rock für Deutschland" in Gera geründet worden. Am Donnerstag fanden sich in Jena mehr als 35 Vertreter aus Bündnissen gegen Rechts, Parteien, Gewerkschaften, Kirche und Antifa-Gruppen zusammen.
Das seit zehn Jahren in Gera etablierte Rechtsrock-Konzert, zu dem bis zu 4500 Neonazis in den vergangenen Jahren anreisten, stellt einen der jährlichen Höhepunkte der bundes- und europaweiten rechten Szene dar.
Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, diese Tradition langfristig zu brechen und ruft dazu auf, mit vielfältigen Aktionen selbiger ein Ende zu setzen.
Sandro Witt, der Pressesprecher des Bündnisses, stellt klar: "Die bei dem Nazi-Festival gespielte Musik ist ideologische Grundlage und Aufruf zu Hass und Gewalt gegen Menschen, die nicht in das gefährliche Weltbild von Neonazis, Rassisten und Antisemiten passen. Es gilt, ein klares Zeichen gegen Nazis und Menschenfeinde zu setzen. Dies sollte Aufgaben aller couragierten Menschen sein."
Das Bündnis gegen das Festival ruft dazu auf, sich an den Protesten am Sonnabend, dem 7. Juli, zu beteiligen.
„Keine Toleranz gegenüber nationalsozialistischer Ideologie“ lautete das Statement der Kundgebung auf dem Marktplatz von Lobeda-Altstadt. Sie war der Auftakt der Aktion „Toleranzgrenze“. Zu ihr hatte die Arbeitsgruppe „Was tun gegen das 'Braune Haus'?!" im Jenaer Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus aufgerufen.
An die Kundgebung angechlossen hat sich ein Gang zur Jenaischen Straße 25, wo Schilder mit der Aufschrift „Toleranzgrenze“ eingeweiht wurden. Sie sollen eine sichtbare Grenze zwischen der demokratischen Gesellschaft und der demokratiefeindlichen und rechtsextremistischen Ideologie der Neonazis ziehen, die im Umfeld des „Braunen Hauses“ wirkt. Die Toleranzgrenze soll als sichtbares Zeichen zum Nachdenken anregen und verhindern, dass sich Gewöhnung oder Vergessen einschleichen.
Die Idee zu den Schildern wurde vor drei Jahren in Pößneck geboren, als dort das „Schützenhaus" in den Händen der Nationalsozialisten war. Acht Schilder, die im Rahmen eines Wettbewerbs entstanden, wurden damals rund um das Gebäude aufgestellt. 2011 musste das „Schützenhaus“ dann von den Neonazis aufgegeben werden. Die Stadt Pößneck hat danach die Schilder abgebaut. Einige von ihnen sollen nun solange in Jena stehen, wie es notwendig ist, das „Braune Haus“ als solches zu kennzeichnen. Danach sollen sie weitergegeben werden an andere Orte mit ähnlichen Problemen.
Übrigens: Die Stadt Jena wird das „Braune Haus“ nicht mithilfe von Steuermitteln erwerben, verkündete OB Albrecht Schröter. Das habe der Hauptausschuss auf Empfehlung der zivilgesellschaftlichen Gruppen Jenas beschlossen. Ein entsprechendes Kaufangebot sei an die Stadt „niederschwellig“ herangetragen worden.
MDR aktuell:
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Beitrag aus dem ZDF Morgenmagazin vom 24. Januar 2012