Am 18. Oktober 2007 gründete sich das Jenaer Aktionsnetwerk gegen Rechtsextremismus. Der Gründungsaufruf beschreibt das Woher des Aktionsnetzwerks, die Motivation der Menschen, die dem Aufruf folgten und ihre Ziele.

Nach dem Widerstand gegen das rechtsextreme „Fest der Völker“ am 8. September:
Aufruf zur Gründung eines AktionsNetzWerkes gegen Rechtsextremismus am 18. Oktober um 20 Uhr im Hörsaal 6 auf dem Uni-Campus, Ernst- Abbe- Platz.
 
 

Unter dem Eindruck der erfolgreichen Behinderung des rechtsextremen “Festes der Völker” rufen wir auf zur Gründung eines Aktionsnetzwerkes. Einige von uns haben die Randstreifenkundgebung, andere von uns die Blockaden organisiert. Wir sind zugleich begeistert über die große Zahl an Menschen, die sich an diesen Aktionen beteiligt haben, und entsetzt, dass wir doch zu wenige waren, um den größten Naziaufmarsch in Thüringen seit 1992 zu verhindern. Es folgt eine kurze Einschätzung der Ereignisse, ein Vorschlag für die Zukunft und die Einladung zum Mitmachen.

 

Auf gerichtlichen Beschluß wurde am 18. August in Jena der Hess-Marsch von 380 Neo-Nazis durchgesetzt, der zuvor in Wunsiedel verboten worden war. Viele Jenaer- Innen reagierten mit Fassungslosigkeit auf den staatlichen Schutz für einen den Faschismus verherrlichenden Aufmarsch. Aus der Empörung entstand in den folgenden drei Wochen eine Diskussion mit einer neuen politischen Qualität, die sich so zusammenfassen lässt:

 

Offensichtlich sind staatliche Behörden nicht in der Lage, dem Wiedererstarken des Faschismus Einhalt zu gebieten. Deshalb müssen wir selbst aktiv werden. Auch angesichts der Drohung, dass gewaltfreie Aktionen polizeilich aufgelöst und die Teilnehmenden kriminalisiert werden, geben wir unser Ziel nicht auf.

 

Diskussionen dieser Art werden spätestens seit dem Pogrom gegen Asylsuchende in Rostock-Lichtenhagen 1992 geführt, dem die Polizei tatenlos zusah. Neu für uns ist die Dimension, in der Menschen dem Aufruf zur Blockade, zum zielgerichteten und begrenzten Regelverstoß am 8. September folgten und ihn in die Praxis umsetzten. Sie löst bei uns viele Hoffnungen aus.

 

Erreicht wurde dies durch einen politischen Klimawandel, an dem Viele an unterschiedlichen Orten über Wochen gearbeitet haben, z.B. durch die Randstreifenkundgebung, die einander völlig unbekannten Menschen die Möglichkeit zur Beteiligung gab. Die von verschiedenen Gruppen vorbereitete Fünf- Finger- Taktik schuf die Struktur zur Blockade der Zufahrtsstrassen. Dem Aktionskonzept schlossen sich über 2000 Menschen spontan an.

 

Ohne die Bereitschaft Vieler mitzumachen, sich zu engagieren, ihr alltägliches Leben zurückzustellen, wäre dieser Kraftakt nicht möglich gewesen. Die Kreativität im Vorfeld des 8. September und die Entschlossenheit der Blockaden fühlen sich an wie eine Wärmewelle, die uns noch lange tragen kann. Dazu gehört die Erfahrung, gemeinsam mit anderen tatsächlich politisch intervenieren und etwas erreichen zu können. In Momenten mag sogar aufgeblitzt sein, dass kollektive Anstrengung es nicht nur möglich macht, Nazi-Feste zu verhindern, sondern auch an Fragen des Alltags ganz anders heranzugehen.

 

Umso ernüchternder war es für uns, zu sehen, wie die Polizei in Abwesenheit von Medien mit Tränengas und Knüppeln Nazis den Weg frei machte.

 

Wir sind überzeugt davon, dass nach den Erfahrungen vom 8. September noch mehr Menschen bereit sind, sich an ähnlichen Aktionen zu beteiligen. Wir sind dabei, eine Form hierarchiefreier Vernetzung zu entwickeln, die Mut macht, Aktivitäten koordiniert, Aktionstrainings organisiert und Menschen, die auf der Suche nach Handlungsmöglichkeiten sind, eine Orientierung anbietet.

 

Bei aller Unterschiedlichkeit in unseren politischen Ansichten verbindet uns die Entschlossenheit, dem erstarkenden Rechtsextremismus in Zukunft mehr als eine jährliche Kundgebung entgegen zu setzen. Wir stellen uns dieser Bedrohung mit allen Mitteln, zivilen Ungehorsam ausdrücklich eingeschlossen, in den Weg. Wir wissen, dass wir einen langen Atem brauchen und sind überzeugt, mit der Kraft, die uns am 8. September für vier Stunden erfüllte, jeden Marathon laufen zu können.

 

Unsere konkreten Ideen und Pläne für ein Netzwerk werden wir am 18. Oktober um 20 Uhr allen Interessierten im Hörsaal 6 auf dem Uni-Campus, Abbe- Platz vorstellen. Es wird Beteiligungsmöglichkeiten verschiedenster Art und Intensität geben.