Presseerklärung des Bürgerbündnisses gegen Rechtextremismus Weimar zu den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch am 8. Februar in Weimar.
Das Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus Weimar zeigt sich weitestgehend zufrieden mit den Protestaktionen. „Wir konnten über den gesamten Tag hinweg ca. 600 Gegendemonstranten mobilisieren. Es wurde erreicht, dass die Nazis ihre Route nicht laufen konnten und massiv verkürzen mussten“, so Martin Raasch vom Sprecherrat des BgR. „Und das ist für sich bereits ein Erfolg!“. Gemeinsam mit vielen Engagierten, u.a. des Aktionsnetzwerkes Jena, gelang es, zwei Blockaden zu bilden und diese zu halten. Dafür bedankt sich das BgR ausdrücklich bei allen Beteiligten – vielen Studierenden der Bauhaus-Universität, der SPD Weimar für die Unterstützung am Goetheplatz, den unterstützenden Antifa-Strukturen, der LINKEN für die Mahnwache am Buchenwaldplatz und dem QueerWeg e.V. Jena und Pfarrer Hardy Rylke von der Ev. Kirchgemeinde Weimar für die Organisation der Kundgebung am August-Baudert-Platz vor dem Hauptbahnhof. Es gilt der Dank auch den OrdnerInnen und Technikverantwortlichen, den BetreuerInnen der Lautsprecherwagen und den KöchInnen der VoKü der Gerberstraße 1, die für eine kleine Verpflegung der hungrigen Protestierenden sorgte. Auch den unterstützenden Landtagsabgeordneten von DIE LINKE. und der SPD wird für ihre Unterstützung gedankt.
„Selbst mit dem Polizeieinsatz waren wir bis eine halbe Stunde vor Schluss einigermaßen zufrieden" sagte Uwe Adler vom BgR. „Es gab die gewaltsame Räumung des Blockadeversuchs auf der Ernst-Thälmann-Straße. Hier muss es auch eine Hilfestellung für Verletzte und von Strafverfolgung Betroffene geben, aber gerade die Weimarer KommunikationsbeamtInnen sowie der Einsatzleiter Herr Kirsten waren durchaus überwiegend gewillt, nicht zu eskalieren bzw. zu einer Deeskalation beizutragen.
„Aber dann verließ die Polizeieinheit BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeenheit) Thüringen aus Erfurt offensichtlich die Linie der Weimar Polizei und eskalierte die Lage“, meint Ines Wolfram, eine der SprecherInnen des BgR. Die BFE hatte mitten aus der Menge von 400 Menschen einen Demonstranten festgenommen und ihn vor allen Augen über den Bahnhofsplatz geschleift. Torsten Zern, ebenfalls vom BgR Weimar, sagte: „Die BFE hat klar gegen das Deeskalationsgebot verstoßen. Das muss Konsequenzen haben!“
Das Deeskalationsgebot ist Teil des sogenannten Brokdorf-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1986. Das Urteil prägt bis heute maßgeblich das Versammlunsgrecht und legt polizeilichem Verhalten im Demonstrationsgeschehen deutliche rechtsstaatliche Regeln auf. Die Richter beschlossen damals unter anderem, dass Festnahmen aus einer Menschenmenge zu unterbleiben und erst nach ihrer Auflösung durchzuführen seien. Nur so seien u.a. das Versammlungsrecht der Mehrheit, eine Schädigung unbeteiligter Dritter und eine Eskalation zu vermeiden.
Wir distanzieren uns von dem Glasflaschenwurf, und dieses Mittel des Protestes ist nicht das unsere. Aber die Verhältnismäßigkeit in der Anwendung der Mittel durch die BFE-Einheiten ist für uns eine nicht hinnehmbare Eskalation, die außer mutmaßlich Beschuldigten alle anderen KundgebungsteilnehmerInnen als Betroffene zurücklässt.
Weiterhin wurden Journalisten von der Polizei fast eine Stunde lang gehindert, ihrer Arbeit nachzugehen und eine lückenlose Berichterstattung der Öffentlichkeit zu wahren. Den Journalisten wurde unter dem Vorwand zu provozieren der Zugang zur Nazi-Kundgebung verwehrt. Stattdessen sollten sie außer Sichtweite hinter Absperrgittern bleiben. Erst nach langer Diskussion konnte die Pressefreiheit doch noch gewahrt werden. Der polizeiliche Umgang mit Medienvertretern ist an dieser Stelle zu kritisieren und wird, so wurde uns es uns durch Sabine Berninger von der Landtagsfraktion DIE LINKE. zugesichert, im Landtag Thema werden.
Das Bürgerbündnis bittet all diejenigen, sich zu melden, die von der Polizei im Zusammenhang mit den Protesten in Weimar angegangen und/oder verletzt und/oder in ihren Rechten als JournalistInnen behindert wurden.
Ebenso werden AnwohnerInenn der betroffenen Gebiete rund um den Hauptbahnhof Weimar um Auskünfte gebeten, ob Hinweise der Polizei und/oder der Stadt Weimar in ihrem Briefkasten waren, die auf die bevorstehende Ausnahmesituation durch den Nazi-Aufmarsch hinwiesen und die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit erklärten.
Ein erstes Auswertungstreffen wird es am Dienstag, 18 Uhr, in der Volkshochschule Weimar geben.