Am Samstag, 8. Mai 2010, jährte sich zum 65. Mal das Ende des 2. Weltkriegs, das Ende der Nazi-Ära, der Tag der Befreiung. Der Arbeitskreis "Sprechende Vergangenheit" ludt zu einem Mahngang unter dem Titel "Schweres Kreuz" ein, der in der Stadtkirche St. Michael begann.
Die Verwüstungen im schwer zerstörten Jena, die vielen Toten der Jenaer Zivilbevölkerung, jüdische Schicksale, das Leiden der Zwangsarbeiter bei den Aufräumungsarbeiten nach den Bombardements, die Buchenwaldhäftlinge, die wenige Tage zuvor noch durch Jena getrieben worden waren, die geistige Mittäterschaft so genannter "Deutscher Christen", die im kirchlichen Leben Jenas das Sagen hatten, und der Mut der Anhänger der "Bekennenden Kirche" sind Themen, die an den sieben Stationen zwischen Stadtkirche und Aula der IGS 'Grete Unrein' in Erinnerung gerufen werden.
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Stationen und Themen
- Stadtkirche:
Der Krieg kommt nach Jena: Bombardement, Zerstörung, Tod Evangelische Kirche in der Entscheidung: „Bekennende Kirche“ oder „Deutsche Christen“ - Johannisstraße/Ecke Weigelstraße:
Ein Beispiel der „Arisierung“ jüdischen Eigentums - Johannisstraße 14:
Jena als Hochburg der NS- Bewegung „Deutsche Christen“- Zuflucht im Luftschutzkeller - Johannisplatz 16:
Jenaer Stolpersteine: Erinnerung an den Landgerichtsdirektor Paul Freymuth - Bachstraße/Ecke Quergasse:
Versammlungsort der Gruppe „Bekennende Kirche“ in Jena – Erinnerung an die Pastorin Gertrud Schäfer - Aula der IGS „Grete Unrein“, August-Bebel-Straße:
Der Todesmarsch der Buchenwaldhäftlinge durch Jena Bilder der Zeit - Abschließende Gesprächsrunde
Chronik des Kriegsendes in Jena
9. Februar 1945
Bei dem schweren Bombenangriff auf Jena sind ca. 100 Tote, über 50 Schwer- und über 200 Leichtverletzte zu beklagen. 26 Gebäude werden total, 21 schwer und 259 mittelschwer bis leicht beschädigt. Über 100 Personen werden dabei verschüttet und 34 als vermisst gemeldet. Besonders betroffen sind die Altstadt und das Nordviertel.
23. Februar 1945
Bei einem Bombenangriff mit ca. 150 Sprengbomben wird vorwiegend das Gebiet um den Nordfriedhof bis nach Löbstedt getroffen.
10. März 1945
Kleinerer Angriff auf Lichtenhain, Beutenberg, Kahlaische Straße und die Stadtmitte.
17. März 1945
Bei einem halbstündlichen Luftangriff auf Jena werden ca. 400 Sprengbomben vor allem auf Jena-Ost, das Zeiss- Südwerk und das Schottwerk abgeworfen. Unter den 133 Toten befanden sich zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter und Häftlinge.
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19. März 1945
Schwerer Bombenangriff auf die Innenstadt. Etwa 200 Bomber werfen innerhalb von 15 Minuten ca. 800 Brand-, Phosphor- und Sprengbomben über Jena ab. Mehr als 140 Tote, 100 Schwer- und Leichtverletzte und über 8000 Obdachlose. Ebenfalls betroffen: Winzerla, Wöllnitz, Lobeda und das Kernbergviertel.Besonders betroffen: Stadtmuseum und seine Zweigstelle, der Siedlungshof, viele Universitätsinstitute, Postamt, Burgkeller, die Firma Zeiss, das Universitätshauptgebäude und die Stadtkirche, welche völlig ausbrennt.
3. April 1945
Der Rektor der Universität Karl Astel, Vertreter der NS- Rassenlehre, begeht Selbstmord. Am gleichen Tag erfolgt der Abtransport der im Außenlager Jena (Reichsbahnausbesserungswerk) befindlichen ca. 900 Häftlinge des Konzentrationslager Buchenwaldes nach Colditz.
9. April 1945
Letzter großer Angriff von US-Bombern auf Jena. Dabei werden u.a. der Saalbahnhof, das Gaswerk und das Kohlelager zerstört. Mehr als 100 Menschen finden den Tod.
11. April 1945
Von Großschwabhausen kommend, werden über 4000 Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald von der SS durch Jena getrieben. Dabei erschießt die SS-Wachmannschaft in den Straßen der Stadt entkräftete Häftlinge.
Obwohl schon weiße Fahnen zu sehen sind wird, die Stadt von den Höhen des Forstes und des Landgrafen von US-Truppen unter Artilleriebeschuss genommen.
12. April 1945
Sprengung der Camsdorfer Brücke, der Hausbrücke in Kunitz, der Wiesenbrücke, der Burgauer Brücke und der Autobahnbrücke in Göschwitz. Die Paradiesbrücke bleibt begehbar.
13. April 1945
Die Stadt Jena wird kampflos durch US-Truppen besetzt.
Quelle: Homepage der Stadt Jena, Stadtportrait – Chronik – Jahresübersicht 1945
Bilder der zerstörten Stadtkirche
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Jena nach dem Ende des Krieges: Zerstörungen - Bombenopfer - Judenmord
Opfer der alliierten Luftangriffe
Während der alliierten Luftangriffe auf Jena verloren 791 Menschen ihr Leben, darunter auch ausländische Zwangsarbeiter. Siebzehn weitere Menschen fielen dem Artilleriebeschuss am 10. und 11. April 1945 zum Opfer. 1166 Bürgerinnen und Bürger wurden verletzt. Die Gesamtzahl der Kriegstoten und Verletzten umfasste drei Prozent der damals in Jena lebenden Bevölkerung. Infolge der Bombardierung waren 17% der Häuser und Wohnungen so stark beschädigt worden, dass sie nicht mehr bewohnbar waren. 16% der Jenaer Bevölkerung verloren alles oder einen Teil ihres häuslichen Eigentums.
Die Jenaer Zeiss-Werke wurden mehrfach von britischen und amerikanischen Bomberverbänden angegriffen, weil sie die drei Wehrmachtsteile Heer, Luftwaffe und Marine mit optischen Ziel- und Visiereinrichtungen beliefert haben.
Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung
Von den uns heute bekannten 173 Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Jena, die gemäß der nationalsozialistischen Rassendoktrin als „Volljuden“ oder „Mischlinge ersten Grades“ verunglimpft und verfolgt wurden, kamen mindestens 50 in Konzentrations- und Vernichtungslagern ums Leben. Der größte Teil von ihnen wurde ermordet, acht weitere Personen wählten den Freitod. Mehr als 100 der früheren jüdischen Mitbürger wurden zwischen 1933 und 1945 aus ihrer Heimatstadt vertrieben.
Besetzung der Stadt
Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Thüringen Mitte April 1945 stand Jena zunächst unter amerikanischer Besatzung, vereinbarungsgemäß erfolgte nach 100 Tagen ein Besatzungswechsel. Anfang Juli besetzten sowjetische Truppen die Stadt.
Stadt in Trümmern
120.000m3 Schuttmassen mussten mit Hilfe von LKWs aus der Stadt transportiert werden. Da es kein Benzin gab, wurden häufig Pferde und Ochsen vor die Fahrzeuge gespannt.
Vom Fundus des Stadtmuseums konnten nur noch 4.000 der 25.000 Objekte gerettet und aus den Trümmermassen des alten Standortes geborgen werden.
Unmittelbar nach Kriegsende blieben zunächst viele Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen unterbrochen, zum Teil infolge der Zerstörungen im Frühjahr 1945, zum Teil durch die Sprengung der großen Saalebrücken in den letzten Stunden des Krieges.
Die Glaubens- und Kirchenbewegung „Deutsche Christen“ (DC) hatte in Jena eine ihrer Hochburgen
Die DC war eine kulturrassistische, völkisch-antisemitische und am autoritären Führerprinzip orientierte Sammlungsbewegung im deutschen Protestantismus. Der Berliner Pfarrer Joachim Hossenfelder begründete am 6. Juni 1932 die DC als Glaubensbewegung und „Kirchenpartei“, die sich für die Errichtung einer christlich- protestantischen Nationalkirche einsetzte.
Die damals 20 evangelischen Landeskirchen sollten zwangsweise vereinigt werden. Ferner forderten die DC unter ihrem „Reichsbischof“ Ludwig Müller, die Landeskirchentage (die gewählten Kirchenparlamente) durch Einführung des Führerprinzips zu entmachten, jüdische Christen aus der evangelischen Kirche auszugrenzen, protestantische Pfarrer jüdischer Herkunft zu entlassen und alle hebräischen bzw. jüdischen Bezüge der Bibel auszublenden bzw. umzudeuten.
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Nachdem die DC bei den Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 reichsweit große Erfolge verzeichnen konnte, beherrschten die besonders militanten DC auch die Kirchenleitungen in Thüringen. Hier verbanden sich der im deutschen Protestantismus latente Nationalismus und traditionelle Vorurteile gegen die jüdische Religion ganz offen mit dem rassischen Antisemitismus des Nationalsozialismus. Viele Thüringer DC gehörten zugleich der SA und/-oder der NSDAP an, gerade auch Pfarrer der DC. Der Leiter der Kirchenabteilung im Thüringischen Volksbildungsministerium hatte 1932 bereits zu den Mitbegründern der Kirchenbewegung „Nationalkirchliche Einung“ gezählt, wie sich die DC in Thüringen zeitweise nannten.
Die Thüringer Kirchenbewegung DC fand in der Universitätsstadt Jena besonders starken Rückhalt, weil mit Walter Grundmann, Heinz-Erich Eisenhuth und Wolf Meyer-Erlach an der Theologischen Fakultät seit 1933/34 drei DC-Professoren den bestimmenden Einfluss ausüben konnten. Die Jenaer Fakultät gilt zurecht als eine „Hochburg“ des Antijudaismus und völkischen Antisemitismus.
Der bayerische Rundfunk-Prediger Wolfgang Meyer (der sich in Wolf Meyer-Erlach umbenannte) verfügte zwar über keine wissenschaftlichen Verdienste, erhielt aber 1933 die Professur für Praktische Theologie.
Zwischen 1935 und 1937 schmückte er sich mit der Amtskette des Rektors der Alma mater Jenensis. Er war ein fanatischer Antijudaist, skrupelloser Karrierist und wortgewaltiger Lutheraner in einer Person. Nach 1945 kehrte er in seine bayerisch-fränkische Heimat zurück, wurde Gemeindepfarrer und sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, weil er „Care“-Pakete in die „Ostzone“ versandt hat. Jahre zuvor, im Mai 1935 hatte Meyer- Erlach die Türen der Jenaer Universität weit für das Kreistreffen der NSDAP Jena- Stadtroda geöffnet.
Meyers Kollege, der Neutestamentler Walter Grundmann, wirkte als wissenschaftlicher Leiter des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“. Es wurde am 6. Mai 1939 symbolträchtig auf der Wartburg bei Eisenach von elf evangelischen Landeskirchen gegründet und finanziert.
"Jesus ist mit größter Wahrscheinlichkeit kein Jude gewesen." Walter Grundmann |
Seit 1930 Mitglied der NSDAP, vertrat Grundmann vor seinen Studenten und Doktoranden eine „völkische Theologie“, womit er die „Reinigung“ der biblischen Texte vom so genannten „Judaismus“ meinte. Zentrum seiner Lehre: Jesus war kein Jude, sondern Arier. Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde Grundmann zwar aus dem Öffentlichen Dienst in der sowjetischen Besatzungszone entlassen, doch konnte er Pfarrer in Thüringen bleiben, ab 1957 nahm er sogar wieder an der Ausbildung junger Theologen teil. Bis zu seinem Tod 1975 leitete er das Katechetenseminar in Eisenach, dem Sitz der evangelischen Landeskirche.
Das Gebäude Johannisstraße 14 war während der Nazizeit das Zentrum der DC- Bewegung in Jena. Hier ein Foto des Gebäudes von 1938 in voller NS-Beflaggung.
Die Jenaer Bekenntnisgemeinde
Schon immer gab es unter den evangelischen Christen in Jena eine stark pietistisch geprägte Mitgliedschaft. Auch die Pastorin Gertrud Schäfer sowie der Alttestamentler Professor Gerhard von Rad gehörten diesem Kreis an.
Gertrud Schäfer (* 24. Juli 1897 in Roda; † 26. Juni 1987 in Jena) war eine der ersten evangelischen Pastorinnen in Thüringen. Sie war eine der wenigen in der Jenaer Theologenschaft, die der Bekennenden Kirche angehörte. In ihrer kleinen Wohnung in der Ebertstraße 4 in Jena kamen Menschen zusammen, die mit Martin Niemöller, den Gertrud Schäfer aus ihrer Berliner Zeit kannte, verbunden waren oder die der Bekennenden Kirche angehörten. Nach und nach wurden ihr auf Betreiben der DC-beherrschten Kirche in Thüringen und in Jena die kirchlichen Aufgaben entzogen, auch die Klinikseelsorge wurde ihr untersagt. 1938 verweigerte sie als einzige aus der Jenaer Pfarrerschaft den "Treueid auf Führer und Reich". Gertrud Schäfer: Außer Jesus Christus gehorche sie niemandem.
Am 27. Juni 1934 regte Pfarrer Dr. Schanze aus Weimar an, auch in Jena eine „Lutherische Bekenntnisgemeinschaft“ zu gründen. In ihren Erinnerungen stellt Gisela Schüler, die spätere Ehefrau von Pfarrer Gerhard Schüler, die Jenaer Bekenntnisgemeinschaft unter das Wort „Auf der Suche nach Wahrheit“. Sie schildert eindringlich, welche Gefahren der Kirche „durch die Verfälschung des Wortes Gottes“ durch die deutsch-christlichen Kirchenleitungen drohten. Bis zum Ende des Krieges bildete die Jenaer Bekenntnisgemeinschaft zusammen mit der Jenaer Studentengemeinde ein Zentrum für Gottesdienst und Gemeinschaft.
Aufgrund des Verbots der DC-dominierten Landeskirche, Kirchenräume zu nutzen, traf man sich in Privatwohnungen. Weil die Mitgliederzahl weiter anstieg, fand man größere Räumlichkeiten in dem Gebäude am Camsdorfer Ufer 17, die man sich mit der Religions- gemeinschaft „Christian Science“ teilen musste.
Anfangs erschienen etwa 60-80 Mitglieder regelmäßig zum Gottesdienst; mit ihren Mitgliederbeiträgen konnten Werbung und Raummiete bezahlt werden. Durch Pfarrer Wolfgang Fraedrich, der 1935 nach Jena kam und der zahlreiche neue Gemeindeglieder warb, wurden es in den kommenden Monaten zwischen 100-180 Mitglieder. Fraedrich war von der Thüringer DC-Kirchenleitung entlassen worden. Der „Pfarrernotbund“ übernahm seine Bezahlung, um die Bekenntnisgemeinschaft zu unterstützen.
Man war auch bemüht, Theologiestudenten an der Universität anzusprechen und für die Mitarbeit in der Bekenntnisgemeinschaft zu gewinnen, obgleich die Theologische Fakultät von den drei DC-Professoren Meyer-Erlach, Grundmann und Eisenhuth beherrscht wurde.
Im Jahr 1937 wurde der tatkräftige Pfarrer Gerhard Schüler nach Jena berufen. Er veranstaltete in seinen Privaträumen Bibel- und Literaturabende, Gesprächskreise und Chorproben. Mit Unterstützung seiner Frau Gisela hielt er die Bekenntnisgemeinschaft in einer Zeit wachsender äußerer Anfeindungen und Repressalien zusammen. Verschiedene Verbote behinderten das Gemeindeleben. So wurden auf der Grundlage eines Gerichtsurteils das Sammeln von Kollekten für die kirchliche Arbeit untersagt. Im Januar 1937 wurden zudem der Gottesdienst am Camsdorfer Ufer polizeilich verboten, da es sich nicht um „kirchliche Räume“ handeln würde. Auf Bitten des Landesbruderrates stellte der liberale Pfarrer Elle vom Melanchthon-Sprengel in Jena Räume für zwei Bibelstunden im Monat und einen Gottesdienst zur Verfügung. Im Juni 1937 wurde diese Praxis allerdings durch die Jenaer Kirchenleitung untersagt. Nach mühsamer Suche fand die Bekenntnisgemeinschaft eine frühere Autoreparaturwerkstatt in der Bachstraße, zwei kleine, aber zentral gelegene Räume, die von den Gemeindemitgliedern für die Gottesdienste hergerichtet wurden. Dort konnten auch Morgenandachten und Bibelstunden stattfinden, an denen auch einige Theologiestudenten teilnahmen, die sich der Bekenntnis- gemeinschaft verbunden fühlten.
Von Beginn an gehörten ausländische Arbeiter und Studenten christlichen Glaubens zur Gemeinde und wurden während ihres Aufenthaltes in Jena in vielfältiger Weise unterstützt, beispielsweise bei der Wohnraumsuche. Die Mitglieder der Bekenntnisgemeinschaft setzten sich für rassisch verfolgte jüdische Menschen in Jena ein. Gemeindemitglieder jüdischer Herkunft gehörten wie selbstverständlich dazu und konnten trotz gesetzlicher Verbote weiterhin an allen Veranstaltungen teilnehmen. Sie wurden mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt, Familien zuletzt zum Abtransport begleitet. Dennoch gestaltete es sich schwierig, Mitbürger jüdischer Herkunft in Jena zu besuchen, die nicht der Bekenntnisgemeinde angehörten, und ihnen Pakete des halblegalen „Hilfskomitees für Christen jüdischer Herkunft“ des Berliner Pfarrers Grüber zu übergeben. Denn die Gemeindeglieder standen unter der Beobachtung von Spitzeln, zudem lehnten die Betroffenen diese Hilfe mitunter auch ab. So war es der Bekenntnisgemeinde auch nicht möglich, rassisch verfolgte Juden in Jena zu verstecken.
1939 wurde Pfarrer Schüler, der schon lange im Visier der Partei wie der Jenaer DC war, zum Militärdienst eingezogen, die Bekenntnisgemeinschaft blieb bis zum Kriegsende ohne Pfarrer. In diesen sieben „pfarrerlosen“ Jahren bemühte sich seine Frau nach Kräften um den Zusammenhalt der Bekenntnisgemeinschaft. Sie organisierte die Verteilung der Gottesdienste auf Pfarrer der Umgebung. Ihr ist es zu verdanken, dass kein Gottesdienst ausfallen musste und weiterhin Trauungen und Taufen in Jena durchgeführt werden konnten.
Am Ende des Krieges setzten sich Mitglieder der Jenaer Bekenntnisgemeinschaft aufopferungsvoll für die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen ein, die im von Bomben zerstörten Jena eintrafen.
Textauszug aus dem „Darmstädter Wort“ von 1947:
- Wir sind in die Irre gegangen, als wir begannen, eine „christliche Front“ aufzurichten gegenüber notwendig gewordenen Neuordnungen im gesellschaftlichen Leben der Menschen. Das Bündnis der Kirche mit den das Alte und Herkömmliche konservierenden Mächten hat sich schwer an uns gerächt. Wir haben die christliche Freiheit verraten, die uns erlaubt und gebietet, Lebensformen abzuändern, wo das Zusammenleben der Menschen solche Wandlung erfordert. Wir haben das Recht zur Revolution verneint, aber die Entwicklung zur absoluten Diktatur geduldet und gutgeheißen.
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Die „Arisierung“ jüdischen Besitzes
Die jüdischen Einwohnern Jenas, unter ihnen viele Kaufleute, Ärzte, Rechtsanwälte, hatten unter der nationalsozialistischen Herrschaft ihre Existenzgrundlage und damit jede Chance auf ein würdiges Leben in unserer Stadt verloren. Seit 1933 wurden eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen erlassen, die zur systematischen Verdrängung der Juden aus dem wirtschaftlichen Leben führten.
In der Weigelstraße 1 befand sich eine Niederlassung der Schuhkaufhauskette Tack und Cie. Der jüdische Kaufmann Hermann Krojanker sah sich gezwungen, bereits 1933 das Unternehmen an die Carl Freudenberg GmbH zu verkaufen. 1934 nahm er sich das Leben. Über die nachfolgenden Besitzer des Schuhgeschäftes in Jena ist bisher wenig bekannt. 1945 wurde das Gebäude durch Bombenangriffe stark zerstört.
Dieses ehemalige jüdische Schuhhaus in der Weigelstraße ist ein Beispiel für die „Arisierung“ vieler erfolgreicher jüdischer Geschäfte in Jena. 1930 gab es in Jena 40 jüdische Geschäfte, die meisten davon in der Innenstadt. Bereits 1938 war die überwiegende Zahl dieser Geschäfte nicht mehr in jüdischer Hand. 1939 gab es fast keine jüdischen Geschäfte mehr in Jena.
Jenaer Stolpersteine - Johannisplatz 16: Erinnerung an Paul Freymuth
Seit 2007 werden in Jena Stolpersteine zum Andenken an jüdische Bürger verlegt, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die kleinen Messingplaketten, die im Gehweg vor dem letzten Wohnhaus der Verstorbenen eingelassen wurden und die Auskunft geben über deren Namen, Lebens- und Sterbedaten (sofern bekannt), sind Teil einer europaweiten Kunstaktion des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Er möchte damit die Erinnerung an die Millionen Menschen wach halten, die im Dritten Reich diskriminiert, deportiert und umgebracht wurden.
Im August 2009 wurde der Stolperstein für Paul Freymuth am Johannisplatz 16 verlegt. Er wurde 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als Landgerichtsdirektor in Dortmund aus dem Dienst entlassen. 1937 kam er mit seiner Frau, einer Nichtjüdin, und seiner T ochter nach Jena. In der „Reichspogromnacht“ zwischen dem 9. und 10. November des darauf folgenden Jahres wurde er zusammen mit vielen Jenaer Jungen und Männern festgenommen und ins KZ Buchenwald verschleppt, kam jedoch bald darauf wieder frei. Einige Jahre lebte die Familie nun in der Hoffnung, dass Paul Freymuth trotz zunehmender Repressalien der Deportation und Ermordung entgehen könnte. Doch am 15. Juni 1944 wurde er erneut inhaftiert und zehn Tage später im Gestapo-Gefängnis in Weimar ermordet.
Gunter Demnig hat inzwischen rund 22 000 Stolpersteine in Deutschland und im europäischen Ausland verlegt. In Jena erinnern seit 2007 bisher 28 Stolpersteine an de Schicksale ehemaliger jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die letzten fünf Steine wurden am 2. Juni 2010 verlegt.
Informationen und Bilder finden Sie hier.
Der Todesmarsch der Häftlinge des KZ Buchenwald durch Jena
Am 7. April 1945 startete ein Eisenbahntransport vom Weimarer Güterbahnhof mit 1.500 Häftlingen. Er sollte über Weimar-Jena-Eisenberg-Krossen-Weida nach Leitmeritz im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren führen. Der Zug wurde bei Großschwabhausen von amerikanischen Flugzeugen angegriffen und beschädigt. Einen Teil der Häftlinge trieb die SS darauf hin durch das Mühltal zu Fuß in Richtung Jena, wo die Bürger auf diese Weise mit den ausgemergelten und ausgehungerten Häftlingen konfrontiert wurden.
Am 11. April erreichte ein anderer Häftlingstransport Jena. Der Zug schleppte sich durch die Erfurter Straße, überquerte die Camsdorfer Brücke und bewegte sich entlang der heutigen Karl-Liebknecht-Straße in Richtung Osten weiter. Bis zum 13. April wurden diese Häftlinge über Eisenberg bis Weida gehetzt, wobei sie auch in Kampfhandlungen gerieten. „Bis nach Wogau haben sie gelegen wie gesät“, schrieb ein Augenzeuge am 29. April 1945 an einen Verwandten. Gemeint waren erschossene oder völlig entkräftete Häftlinge dieses letzten Evakuierungskommandos aus dem Konzentrationslager Buchenwald, die also noch kurz vor der Befreiung Weimars und Jenas durch unsere Stadt gehetzt wurden. Bei Großlöbichau wurden 37 entflohene Häftlinge auf Befehl des Jenaer Kreisleiters der NSDAP, Paul Müller, und des Volkssturmstabsleiters, Dr. Arno Wagner aus Jena, erschossen. Die Häftlinge waren vordem von Ortsansässigen denunziert und vom Wachpersonal wieder aufgegriffen worden. Auch in Maua bei Jena machten Einheimische gegen ehemalige Buchenwald-Häftlinge Front. Einheiten der 3. US-Armee hatten diese Häftlingsgruppe eher zufällig aufgegriffen, nachdem die Bewacher der SS geflohen waren. Die Amerikaner wiesen die befreiten Häftlinge in den Gasthof des Ortes ein und veranlassten, bevor sie nach einigen Tagen weiterzogen, dass diese Männer von der Dorfbevölkerung Nahrung und Bekleidung „organisieren“ konnten. Nach dem Abrücken der Amerikaner vertrieben einige aufgebrachte Dorfbewohner die Häftlinge mit Knüppeln wieder aus dem Gasthof. Dass niemand Schaden nahm, war nur dem glücklichen Umstand eines vorbei ziehenden Trupps von GIs zu danken gewesen.
Der Mahngang „SCHWERES KREUZ“ ist eine Veranstaltung des Arbeitskreises „Sprechende Vergangenheit“ im Jenaer Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus (www.aktionsnetzwerk.de). Texte: Katharina Dietrich, Dr. Gisela Horn, Dr. Gabriele Rönnefarth, Dr. Rüdiger Stutz, Marieke Wolf. - Die Chronik des Kriegsendes ist der Homepage der Stadt Jena entnommen. - Zusammenstellung und Gestaltung des Begleitdossiers: Dr. Wolfgang Rug