AK Sprechende Vergangenheit
Der Arbeitskreis „Sprechende Vergangenheit“ erinnert mit seinen Veranstaltungen an die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt Jena. Auf gestalteten Stadtrundgängen, bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, mit Vorträgen und Ausstellungen werden verschiedene Aspekte dieser Zeit thematisiert und zugleich die Geschichtslügen der Nazis demaskiert. Besonders die Stadtrundgänge zu authentischen Orten der Stadtgeschichte haben nachhaltige Wirkung, denn sie unterstützen die Bildungsarbeit schulischer Einrichtungen als offenes Angebot. Gegenwärtig arbeitet der Arbeitskreis an einem virtuellen Stadtrundgang („Vernetztes Gedächtnis“) zum Thema „Jena in der Zeit des Nationalsozialismus“, der auf die Homepage der Stadt Jena gestellt werden soll.
Kontakt zum Arbeitskreis gibt es über die Mailadresse
Der AK "Sprechende Vergangenheit" hat am 28. Januar 2010 mit einem offenen Brief zur Peter-Petersen-Diskussion in Jena und zur bevorstehenden Entscheidung im Kulturasschuss der Stadt Stellung genommen und einen Vorschlag zur künftigen Benennung des Platzes an der Wöllnitzer Straße / Ecke Friedrich-Engels-Straße und zu einer künftigen kreativen öffentlichen Nutzung unterbreitet.
Der Offene Brief ging an die Mitglieder des Kulturausschusses, an den OB Dr. Albrecht Schröter, die Fraktionen im Jenaer Stadtrat, an die Leitung der Jenaplanschule sowie an den Jenaer Presseverteiler.
Weiterlesen: Petersen-Debatte: Offener Brief des Arbeitskreis Sprechende Vergangenheit
Eine Veranstaltung zur Erinnerung an den Beginn des 2. Weltkriegs in Jena.
Ein Text von Rüdiger Stutz
Krieg war im deutschen Volk nach den leidvollen Erfahrungen der Jahre 1914 bis 1918 unpopulär. Deshalb verwandte die NS-Propaganda im Frühjahr und Sommer 1939 ihre ganze Verdrehungskunst darauf, dem In- und Ausland zu suggerieren, das Deutsche Reich sei von „feindlichen Mächten eingekreist“ worden. Die internationale Situation habe sich in ähnlicher Weise zugespitzt wie in den Monaten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Diese angebliche Bedrohung ginge von den großen Demokratien des Westens und vom „Weltbolschewismus“ aus.
Auf diese Weise sollte die Schuld an der Entfachung eines erneuten Krieges von vornherein auf diese so genannten „Kreise des Weltjudentums“ abgewälzt werden. Das „nationalsozialistische Deutschland“ stünde nämlich in einem „Abwehrkampf“, um diesen „eisernen Ring“ endlich abzuschütteln. Um diese Behauptungen vor der Weltöffentlichkeit und der deutschen Bevölkerung zu beglaubigen, fingierten Einsatzkommandos der SS einen polnischen Überfall auf den reichsdeutschen Sender Gleiwitz. Ähnliche Täuschungsmanöver wurden andernorts vorbereitet, um alle Kriegshandlungen der Zukunft als reine Verteidigungsmaßnahmen des Deutschen Reiches ausgeben zu können. Flankiert wurden diese streng geheimen Sabotage- und Diversionsakte von einer antipolnischen Pressekampagne. In großer Aufmachung erschienen in den ersten Augustwochen frei erfundene Lügengeschichten über in Polen lebende „Volksdeutsche“, die bestialisch misshandelt worden seien.
Solche durch eine systematische Desinformation der Öffentlichkeit ausgelösten Bedrohungsängste verfehlten ihre Wirkung keineswegs, riefen aber in der deutschen Bevölkerung zwiespältige und auch regional differenzierte Stimmungen hervor. Das äußerte sich in den ersten Septembertagen des Jahres 1939 in der Neigung, den Beginn der Feindseligkeiten relativ beherrscht hinzunehmen, weder offen begeistert wie im „August 1914“ noch völlig gelähmt und von Kriegsfurcht erfüllt.
Einerseits weckte die seit 1933 vom Regime aufgelegte „pazifistische Platte“ (Adolf Hitler) so nicht gewollte Friedenssehnsüchte, die sich selbst in der Hochphase der psychologischen Mobilisierung für den Krieg nicht mehr vollständig neutralisieren ließen. Andererseits machte sich unter der Bevölkerungsmehrheit ein diffuses Gefühl breit, von England und Polen tatsächlich bedroht zu werden. Trotz dieser widersprüchlichen Einstellungslage manifestierte sich Anfang September 1939 vielerorts ein Minimum an Kriegsbereitschaft. Der größte Teil der Zivilbevölkerung verhielt sich gegenüber dem Regime widerwillig-loyal.
Die aus Polen zurückkehrenden Wehrmachtstruppen wurden dann schon „fast überall“ von der Bevölkerung „mit großer Begeisterung gefeiert“, wie es in Geheimberichten des Sicherheitsdienstes der SS hieß. Vornehmlich in den ostdeutschen Regionen um Danzig, Allenstein, Elbing, Reichenberg, aber auch in Wien, vermischte sich die allenthalben spürbare Erleichterung über das (vorläufige) Ende der Kampfhandlungen mit unverhohlenem Hass auf die Angehörigen der unterworfenen Nation. Und nicht nur dort wurde die überfallartig vollzogene Okkupation Polens durch die Wehrmacht als ein vermeintlicher „Befreiungsschlag des Führers“ wahrgenommen.
Am 26. und 27. August 1939 fand anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Carl-Zeiss-Stiftung ein, wie es in der Ausgabe der Jenaischen Zeitung vom 28. August 1939 hieß, „Fest des Friedens“ statt: Ein Volksfest, scheinbar unberührt von den Ereignissen in Deutschland in diesen Tagen.
Ein Mahngang an Orte der Judenverfolgung in Jena
Am 10. November 1938 zog die SA grölend durch Jena und schlug die Schaufenster jüdischer Geschäfte ein. Jüdische Menschen wurden ins Gefängnis gebracht, 18 von ihnen in das KZ Buchenwald deportiert, unter ihnen Julius Wolf, Max Friedmann, Arthur Friedmann, Hermann Friedmann, Oskar Dallmann, Julian Cohn, Max Grossmann ...